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persönlicher Kommentar

Gedanken eines frisch gebackenen Opas

Als frischgebackener Opa kommt mir immer öfter in den Sinn, wo ich diesem neugierigen kleinen Erdenbewohner unsere wunderbare Natur zeigen könnte, so wie sie mir auch von meinem Opa und meinem Papa gezeigt wurde und wie ich sie als kleiner Bub überall allein oder an Mamas Hand erleben durfte. Ich spüre in meinen Erinnerungen den Melodien der Lerche nach und sehe sie hoch oben in der Luft flatternd mit ihren Flügeln stehen. Am Pfützenrand versammelte sich das Volk der Schwalben und pickten aus dem feuchten Lehm ihr nötiges Nestmaterial. Haarscharf über den Getreideähren oder dem glitzernden Wasserspiegel schossen sie Stunde um Stunde dahin, um dann mit Schnäbeln voller Insekten ihren laut bettelnden Nachwuchs im Stall und unter der Dachtraufe zu füttern.

Mein Kumpel und ich zogen hinaus, um die Hecken und fingen Käfer und Schmetterlinge und entdeckten so manche Kröte oder Blindschleiche versteckt unter den losen Feldsteinen. Mauereidechsen huschten vorbei und in so manchem Blütenteppich auf Wiesen und Wegrändern warfen wir uns hinein, balgten und achteten stets darauf, dass uns der Bauer im nahen Bauernhof dabei nicht ertappte oder wenigstens dann nicht erwischte. Die Felder und Äcker waren klein und unzählbar und eingerahmt von knorrigen Bäumen und Sträuchern, die schon zeitig im Frühjahr Blühtenmeere hervorzauberten, dabei das Auge der Spaziergänger erfreuten und den Insekten den zeitigen Tisch reich deckten. Uns Kindern wurden diese Säume zu Abenteuerspielplätzen und Verstecken und so mancher Hase oder Laufvogel brach mit großem Schreck daraus hervor.

Nun stehe ich ratlos vor meiner Enkelin, ratloser als alle meine Vorfahren und Naturlehrer es wohl je waren. Ich finde weit und breit keine Blumenwiesen mehr. Der Mohn im Ackerfeld, die blaue Kornblume, die Randstreifen voller Ackerwildkräuter – sie alle haben sich lautlos davon gemacht aus unseren Fluren. Ich vermisse dich, du muntere Lerche und euch, ihr liebestollen, hungrigen und aberwitzig bunten Schmetterlinge. Wo ist er, Karl der Käfer, und du, Raupe Nimmersatt? Wer hat die Steine für unsere Eidechsen so sauber verräumt? Wer hat den lästigen Unkräutern nun endgültig den Garaus machen können, so dass Feldhase oder Schnecke hungrig bleiben werden, wie dann auch unser Freund der Igel?

Ja, solange ich, Neuzeitmensch, Kind des Wirtschaftswunders, allein auf den geteerten, breiten Straßen unterwegs war, habe ich nur meine immer sauber werdende Windschutzscheibe gesehen – das war gut und billig so. Die plattgewalzten Tierköper zeigten mir, dass da doch noch was kreuchte und fleuchte auf unseren Fluren. Die großflächig und einheitlich monotonere Natur zeugt nun landauf und landab von unserem globalen Siegeszug auf allen Ebenen. Die Felder reichen vom Horizont bis zum technisch ausgefeilten Maschinentransportweg, da beeinträchtigt keine Hecke das Wachstum der genormten Feldfrucht mehr, da ist jeder Zentimeter fest im Griff, eingeplant, vermessen, sauber vorbereitet und das weite Land wird von großen Landmaschinen und fahrenden Chemiegiganten lückenlos traktiert – wir sind bei Landbearbeitung 4.0 längst angekommen.

 

Aber was zeige ich nun meiner Enkelin? Wovon soll sie träumen? Von großen Landmaschinen und super sauberen, genormten Gras- und Ackerflächen? Wo sind die vielen kleinen Bauernhöfe hin, mit Kuh, Schwein, Federvieh, kleinem Kartoffelacker, mageren Wiesen, fleißigen Bauersleuten mit Herz und Verstand? Was sollen die Kinder zeichnen, was entdecken, was untersuchen, wo sich setzen, wem lauschen, was erfühlen, wo Fantasie spielen lassen? Wer soll unsere Beeren und Früchte besuchen und bestäuben, wer soll den Schöpfer loben für welche leere und total ausgeräumte Schöpfung? Wer soll uns lieben und mit uns leben wollen auf dieser karg gewordenen Welt?

Gehört zum frommen Bayernland nicht auch das Fest Fronleichnam, mit den Blumenteppichen all überall, zum Erntedank nicht auch die pralle Fülle und Vielfalt des Herbstes, zur Wanderschaft nicht auch die Entdeckungen und Genüsse aus der unschuldigen Natur? Ich glaube ja – und daher kann mich keiner und nichts hindern hinzugehen, zum Volksbegehren für Biene und Co., dass es eine Zukunft geben wird, für mich, für dich, für die Schönheit und nicht zuletzt für meine Enkelin. Die soll es später ja mal gut und schön haben.

 

 

Dr. Robert Atzmüller

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