persönlicher Kommentar
Für MdB Dorothee Bär sind Rüstungsexporte kein Problem
Im Rahmen der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ habe ich eine Mail an die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär gesandt.
Während die og. Aktion von vielen christlichen Organisationen, wie z. B. MISEREOR, Brot für die Welt, der Deutschen Franziskanerprovinz, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend usw. unterstützt wird, sieht die CSU-Politikerin in deutschen Rüstungsexporten kein Problem.
Sie bezeichnet u.a. „die wehrtechnische Industrie als einen wesentlichen Teil des erfolgreichen Wirtschaftsstandorts Deutschlands“ und verweist auf die Vielzahl qualifizierter Arbeitsplätze.
„Merkwürdig“ denke ich mir, denn bei dem Link zu dem zuständigen Bundesministerium, den Frau MdB Bär in ihrer Antwort-Mail eingefügt hat, heißt es dagegen: „Rüstungsexporte sind kein Mittel der Wirtschaftspolitik. Ob Rüstungsexporte genehmigt werden, hängt in jedem Einzelfall von außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen ab. Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen.“
Dass mir Frau Bär bei diesem Thema am Ende ihrer Mail „Gottes reichen Segen“ wünscht, hat mich, wie soll ich sagen, sehr irritiert.
Da ich in meiner Mail eine Veröffentlichung ihrer Antwort angekündigt habe, findet ihr nachfolgend unseren Schriftverkehr (erst die Antwort von Frau Bär und darunter meine Mail).
Thomas Ort
Nachtrag am 05.02.2022:
Interessanterweise hat die Ex-Regierung (SPD und CDU/CSU) im Jahr 2021 Waffenexporte in Höhe von 9,35 Mrd. Euro genehmigt. Das ist ein neuer Höchststand. Lieferungen gingen u. a. in das umstrittene Land Ägypten.
Antwort von MdB Dorothee Bär vom 29.04.2021:
Sehr geehrter Herr Ort,
vielen Dank für Ihr Schreiben bezüglich der Debatte um Rüstungsexporte.
Als CSU im Bundestags lehnen wir diese nicht grundsätzlich ab. Gerne erläutere ich Ihnen die Hintergründe.
Die wehrtechnische Industrie ist ein wesentlicher Teil des erfolgreichen Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Dabei wirkt diese insbesondere als ein wichtiger Treiber von Forschung und Entwicklung. Viele Innovationen aus der Wehrtechnik finden ihren Weg auch in die zivile Nutzung. Einige davon haben unsere Gesellschaft nachhaltig verändert. Prominentestes Beispiel ist sicherlich das Internet, das ursprünglich als Arpanet vom US-amerikanischer Verteidigungsministerium entwickelt wurde. Viele Umwege bleiben uns durch den Ortungsdienst GPS erspart, der seinen Ursprung im militärischen Bereich hat. Heute ist die Wehrtechnik unter anderem führend bei der Entwicklung von Drohnen. Auch diese haben das Potenzial unser Leben nachhaltig zu verändern.
Außerdem bietet die wehrtechnische Industrie in Deutschland eine Vielzahl qualifizierter Arbeitsplätze. Dabei denken wir nicht nur an die großen Konzerne, sondern auch an die vielen kleinen Zulieferer, die ihre Aufträge von der wehrtechnischen Industrie erhalten. Besonders jetzt während dieser herausfordernden Zeit, sind viele Menschen auf ihre sichere Arbeitsstelle angewiesen.
Die wehrtechnische Industrie in Deutschland lebt nicht nur von Exporten. Auch wir richten uns mit den Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr an die inländische Industrie. Die von uns angeforderten Stückzahlen sind dabei teilweise so gering, dass es ohne die zusätzlichen Exporte nicht möglich wäre, das spezifische Knowhow hier zu halten. Durch die Rüstungsexporte können die Stückzahlen so weit erhöht werden, dass sich eine Produktion und damit der Erhalt und die Erweiterung des spezifischen Wissens lohnt. Damit erhält sich Deutschland eine strategische Autonomie, die ein Ausdruck eines souveränen Staates ist.
Natürlich wünschen auch wir uns eine friedliche Welt ohne Gewalt und Waffen. Es liegt jedoch in unserer Verantwortung, klar zwischen Ideologie und Realität zu unterscheiden. Leider beobachten wir weltweit einen Trend zur Aufrüstung. Um die Sicherheit der Menschen hierzulande zu garantieren, sind wir deshalb auf eigene handlungsfähige Streitkräfte, starke Verbündete in Europa und der NATO angewiesen. Um deren militärische Schlagkraft zu erhalten beziehungsweise zu fördern, sind Rüstungsexporte geboten.
Ein generelles Verbot von Rüstungsexporten können wir damit nicht unterstützen. Die bestehenden Regelungen und Bestimmungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern halten wir bereits für voll ausreichend. Es gibt einen klar definierten Genehmigungsprozess, in dem jeder Einzelfall genau überprüft wird. Dabei wird insbesondere auch Rücksicht auf die Menschenrechtslage und das Verhalten des Empfängerlandes, die Regionale Stabilität und die internationalen Beziehungen genommen. Nur wenn alle Bedingungen erfüllt sind, wird eine Ausfuhrgenehmigung erteilt. Weitere Informationen sowie eine übersichtliche Infografik zum Genehmigungsprozess finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie:
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/FAQ/Aussenwirtschaft/faq-ruestungsexporte.html#:~:text=In%20Deutschland%20gibt%20es
%20einen,und%20in%20Verkehr%20gebracht%20werden.
Ich wünsche Ihnen alles Gute sowie Gottes reichen Segen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Dorothee Bär
Meine Anfrage per Mail vom 21.04.2021:
Sehr geehrte Frau Dorothee Bär,
ich wende mich aus Ihrem Wahlkreis an Sie und appelliere an Ihre friedenspolitische und moralische Verantwortung. Deutsche Rüstungsexporte befördern bewaffnete Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen und gefährden Menschenleben und Menschenrechte. Ich appelliere an Sie und Ihre Partei:
- Setzen Sie sich für ein Rüstungsexportkontrollgesetz ein, damit Rüstungsexporte streng kontrolliert und nur in begründeten Ausnahmefällen genehmigt werden.
- Fordern Sie, dass alle Mitglieder des Bundestages über das Gesetz frei nach ihrem Gewissen entscheiden können, ohne das Ergebnis durch Parteibeschlüsse vorweg zu nehmen.
- Treten Sie dafür ein, dass die Menschenrechte und das Völkerrecht Vorrang gegenüber außen- und sicherheitspolitischen oder wirtschaftlichen Interessen erhalten.
Begründung:
Die Bundesregierung bezeichnet ihre Rüstungsexportpolitik seit Jahren als restriktiv. Die von ihr erteilten Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern stehen jedoch im Gegensatz dazu. Deutschland gehört seit Jahren zu den Top 5 der größten Waffenexporteure der Welt. 2019 wurden mit einem Wert von über acht Milliarden Euro so viele Rüstungsexporte wie noch nie genehmigt. Zu den größten Empfängern gehörten u.a. die am Jemenkrieg beteiligten Vereinigten Arabischen Emirate (257 Mio. Euro).
Berichte der Vereinten Nationen über Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen durch Mitglieder der Militärkoalition im Jemen haben die Bundesregierung nicht dazu veranlasst, ihre Waffenexporte an z.B. die Vereinigten Arabischen Emirate einzustellen. Zur Begründung hieß es, dass der Bundesregierung, obwohl ihr die Berichte bekannt sind, wonach „alle Konfliktparteien sich schwerer Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen humanitären Völkerrechts schuldig gemacht haben“, „keine Erkenntnisse vor[liegen], die als belastbarer Nachweis konkreter Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gewertet werden können.“ (Drs. 19/18828, 21.04.2020, Frage 10)
Dass „belastbare Nachweise“ vermeintlich fehlen, darf nicht dazu führen, dass Rüstungsexporte weiterhin genehmigt werden. Damit die Bundesregierung ihrer menschen- und völkerrechtlichen Verantwortung nachkommt, muss diese Logik von Genehmigungen umgekehrt werden! Erst wenn tatsächlich keine Gefahr besteht, dass mit den gelieferten Waffen Menschen- oder Völkerrecht verletzt werden könnten oder das friedliche Zusammenleben der Völker gefährdet wird, darf in weiteren Schritten eine Exportgenehmigung überhaupt weiter geprüft werden.
Schluss mit der Abwägung! Die Bundesregierung schadet ihrer Glaubwürdigkeit, wenn sie weiter an einer Genehmigungspolitik der Interessenabwägung festhält, statt ihren eigenen und den europäischen Werten sowie ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen den absoluten Vorrang zu geben.
Für Transparenz und Kontrolle! Sie, als Mitglied des Bundestages müssen in der Lage sein, die Entscheidungen der Exekutive nachzuvollziehen und zu kontrollieren, denn das ist ihr verfassungsgemäßer Auftrag. Die Bundesregierung muss ihre Exportgenehmigungen anhand der festzulegenden, strengen Kriterien begründen und zeitnah darüber berichten. Ein Verbandsklagerecht muss der Zivilgesellschaft ermöglichen, die Rechtmäßigkeit einer Genehmigung gerichtlich überprüfen zu lassen.
Bitte setzen Sie sich für ein Rüstungsexportkontrollgesetz ein. Mit meiner Bitte an Sie stehe ich nicht allein. Laut einer Umfrage von Februar 2020 befürworten im Durchschnitt 70% der Befragten ein Gesetz, das Rüstungsexporte an Länder verbietet, die Krieg führen oder sich in Krisengebieten befinden. Die Parteizuordnung hatte zwar Einfluss auf den Zustimmungswert, jedoch stimmten in allen Fällen über die Hälfte für ein solches Gesetz. Ein Drittel der Befragten sprach sich sogar dafür aus, dass Deutschland gar keine Waffen mehr exportiert.
Über eine Antwort, auch zur Veröffentlichung bestimmt, würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Ort
Wichtiger Hinweis:
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